STUNDENLIEBE

 

1

Heimkehren zur Erde will ich, in den schlammigen Lehm, nahe dem in der Erde verborgenen Weizensamen. Als Korn will ich wiedererstehen und Nahrung geben, als Lehm will ich zu einem Gefäss werden, als Stein will ich deinen Fuss tragen.

Gib mir die Macht über das Wasser, das alles Leben in sich trägt, und beschütze meine Reise zu dir, flussabwärts den hohen Wolken des Meeres zu.

Gib mir Hilfe und Schutz, der Du die rote Wüste und die schwarzen Berge geschaffen hast, denn für ein anderes Leben, für all die mageren Jahre nach den Katastrophen, wird die Erde am Fluss andere Menschen gebären.

Die Tiere will ich nicht hindern mit mir am Kreislauf der Welt teilzunehmen. Nur die Erde soll mich lehren zu wissen was wahr ist, nur die Erde soll mir das Wissen, die Wahrheit, den Glauben ermöglichen, denn nach heilloser Änderung trägt mein Herz kein Verlangen.

2

In all den Versuchen zum Sein hin verschlinge ich die duftenden Fliederblüten, den wehenden Frühlingswind um meine Fenster. Ich bin nur im Hinaustreten in die Abendkühle, Schritt für Schritt, wenn der Regen tagsüber geleuchtet hat, und ich mehr als verfangen war in der glänzenden Asche meiner Papiere.

Wann haben wir nur das meerlose Leben ohne Strände begonnen, das ständige fort und dahin und hinweg zum ersten Mal gesprochen ?

3

Nächtelang verträume ich stumm, blind und taub, und mühelos verstirbt mir die Nacht gänzlich im ersten Augengriff. Einsamkeit ist mein stilles Gedicht an das sich keinerlei Hoffnung anschliesst, und so versenkt, mich bodenlos ausbrennt für all meine Todesmöglichkeiten. Ein letztes Schweigen in das ich mich berauscht und sonnenlos vergittert hingebe: Guten Abend Du Lieber.

 4

Den Leib in einen Körper tun, einfassen und ergänzend umarmen, aller Hoffnungen bar machen um ihn in der schwirrenden Vereinsamung verbrennen zu lassen. Nicht in den glitzernden Steinen wühlen, aber einen Versuch machen in den Brunnenwassern des Marienheiligtums die spriessenden Körperäste zu kühlen, um später nicht lehrlinghaft das Treiben um den Körper in Gedankengebilden von kühler Arroganz einbetonieren zu müssen.

5

Dumpfe Töne, stilles Beben wenn die Riesen die Berge herab stürmen, und der Strom mich als lebende Fackel durchzuckt. Menschenopfer. Lasst die Rosenbergs leben, in grossen weissen Lettern entlang des Wienflusses. Rätsel lösen sich erst auf, wenn die Farbe längst weggewaschen, die Buchstaben nur mehr in mein Gedächtnis verkrampft, verkohltes Schild, die Haut schwarz, nackt und bleich der Körper. Die Sieger verspeisen die Besiegten, Sidon gefallen, Beirut ein Flammenhaufen, Worte zerschellen im Lande der Klagemauer zu Splitterbomben.

6

Die tierbelasteten Gestalten, traumlos geborene Ungeheuer aus den Urwäldern meiner Wohnräume, die Füsse schleifen sie entlang den sprechenden Wänden, den dröhnenden Decken, den in der Sonne erzitternden Türmen. Das Grün des feuchten Grases wird vertrampelt unter ihren Stockschlägen und den fliehenden Kindesbeinen. Das Sprechen zerbarst ihnen vor langer Zeit in taubes Gestein mit dem sie sich tagtäglich zerbrechen. Die Musik ihrer Anfänge haben sie längst in den Nächten der anderen vergewaltigt, die Fingerspitzen stumm und unkenntlich zerschnitten, die Lippen ein grober Klumpen Schlamm. Ihre Augen starren hoffnungslos blind in die Dunkelheit der Mahlzeiten, die sie sich als Gefangene ihrer mondleeren Welt vorsetzen.

7

Stein über Stein hinweg tauch den 

Körper ich ein in den See. Uber den

Sumpf hingestreckt, dort wo

wir den nackten Körper verschlammen

lassen, wird auch das Gras wieder zu  

spriessen beginnen.

Schau nicht in den Apfelgrund,

steig nicht in den Birnenmond, denn

nur die verbrannte Erde kann dir wieder zu einer Haut werden.

8

Aufheben den Druck im Kopf, müde bin ich, und für den grellen Tag mangelhaft ausgerüstet, will den Gliedmassen die Blutstauungen entreissen, wo ich umgrenzt von brennender Sonne und stickig grüner Luft mich schwimmend ernähre. Den Körper mit seinen Schwellungen will ich vergessen, das Gewicht nicht auf die Waage heben, die Zahlen nicht versuchen zu verdauen. Schwache Äusserungen der Haut in den Wassern der Donau stillen, zu buntem Klee werden lassen. Das Schweigen der Götter aus den Steinen lasen, aufschauen und abtauen lassen und den klebrig dicken Saft der grünen Nüsse zu einem Bad werden lassen, um die Haut darin schwarz zu gerben.

9

Solange Othello seine Desdemona bestirbt, solange mt ihr euch gedulden, ihr G r und Dmonen, sonnig verglnzt und dennoch mit Finsternissen behaftet, aus allen Meeren entstiegen, von den H herabgeflossen, bis ihr jauchzend voller Heiterkeit in alle Ewigkeit, und verdammt und schicksalstrden Acheron abwrtssten dt, um wiederum meine Gewebe dumpfen Sinnes zu verfilzen.

Voller Rauch und Asche, m risch stechend schreie ich verfluchend und erwarte geblendet, gewt und bis zum Ersticken verpresst einen neuen Körper.

10

Ineinaderfliessende Tümpel, verlaufen und wiedergeboren, Momentaufnahmen aus einer anderen Existenz, begehrt, vielfach verloren und wiedergetauft, abstandslos unmenschlich verstrickt. Dem herkömmlichen Dichter und seinen stillen Engelscharen, deren Flügelschläge ihn zu Tode ermüdet haben, auch ihm ergab sich sein Körper, vielfache Unendlichkeiten, die doch wiederum heisse Geschöpfe einer ferneren Zukunft sein können. Berliner Mädels haften als lichtverschossene Abbilder in die Nacht, mittendurch zerstossene Träume, gekrümmt und schal gebrochen, .alles andere als Heilsbotschaften für einen müden Körper. Aber nimm dich in Acht vor mir, ich brenne stürmend und lichterloh, sternschnuppenleicht und feuerwerkenrotglühend.

11

Das Sterben vergessen, dafür den rauchenden Schiffen glorreiche Fahnen aufstecken. Heil, oh Heil ihr Nimmersatten der Meere und der Lüfte.

Zu meinen Sarkasmen werf ich Euch und überschütte Euch mit heftig Brennendem, ihr Mordsbuben, ihr Teufelsleiber. Verstummt rauscht mir dann der Tag durch die Jalousien und dröhnt mich in den Abend, zu den zermalmten Sternen, im funsenhaften Schein meiner trügerischen Kirchenlieder.

12.

Nicht weinen junger Mond wenn du angstvoll und beladen als Zigeuner durch das Land ziehst, den Rebenreiehn entlang, bis hinein in den kühlen Wein meiner Inselträume. Stirbst du mühsam und unendlich, werde ich dein Herz zu meinen Schwertlilien bergen.

13

Deine Stimme in den Fluss tragen, den Ahnen dich vorstellen, Licht und Finsternis beschwören, unsere Steine erglühen lassen, auf dass die Vögel zu uns sprechen, die Pflanzen uns morgendlich besingen. Hallelujah.

14.

Give me a few words to be set to music – for violin and lute, allowing us a truth to be heard – for a burning harp in an icy sea.

15.

Spielend leicht verwerf ich dich in den dämmrigen Morgen, in das abgefallene Laub hinein. Gegen Mittag fliegst du auf mit den Saatkrähen, schwarze Himmelsflecken die grossen Schwärme. Abends verstummst du rasch im kalten Strom der Nachtluft zu Arien und Pflanzenblättern.

16.

Vorbei sind die Tage der goldenen Äpfel – Erinnerung wurden sie als Eingeständnis meiner Ohnmachtsgefühle, und Sehnsucht hat deinen Namen angenommen. Ohne Schlaf zum Tode hin wäre das Leben wohl unerträglich, und sprechend möchte ich dir über die Augen streichen, grenzenlos in die Zeit hinaus.

17.

Den Zeichen und wunden Stimen muss ich folgen, Beglaubigungen meiner elenden Taten und Träume. Ich stürme nicht wolkenwärts sondern spreche deine Stimme in die Welt, bist du welt, bist du fern? Will meinen müden Kopf leise zwischen deine Augen legen, doch die Nacht wird zum Tag und gehen wir ineinander auf, bleiben es, bringt uns der Herbst die zerfetzten Notenpapiere.

 18.

Vieles spricht doch dafür, dass wir einander nicht alleine sind, nicht hier und nicht jetzt, schon in anderen Leben waren wir, an anderen Orten.

Langsam wird auch das leise Morden nicht mehr sein, andere werden unsere Geburt austragen, und ihre Hausaufgaben mit unserer Haut lösen. Die Schläge des Elternhauses und der Schule sind die Kerben die ich mitnehmen werde. Vielleicht dürfen wir uns daran wiedererkennen.

                                  Deine Violetta.

19.

Im Nichtshören den Schetöbernin der Wolken durchstöbern und den durchs eigene Gift zerblasenen eingefurchten Kopf in die Höhe stossen, andauernd, grobschlächtig und bösartig.

Als sprachlos zugeschnürte Kehle stehe ich verurteilt den vorbeiziehenden Gesichtern ergeben, den fordernden Augen, den tesHänden, den gierdehaften Körpern, den wunschvollen Seelen gegenüber.

Die spitz stechenden Blütenäste, die staubvoll, grau meinen zustandhaften Körper quellend überfliessen, werden zu einem Frühling ohne dich gefunden zu haben.

20.

Geh doch nicht fort, lass nicht all die Knochenwehe in meinen Gliedern zurück, das wimmernde Gebärene der Verlorenheit. Sehnsüchtig bricht die laute Nacht meine Ohren und tausend Fenster möchte ich um die Stille mit dir schliessen. Als schweres Stück Vieh tobe ich durch den Tag, von der Nacht in die Nacht und all so lautlos habe ich dich noch immer nicht eingeholt.

21

Zermürbendes Vergessen auch im tiefsten Sonnenlicht, wenn ich spazierengehe, wenn ich auf die hoffe, denen ich mich erlöst hingeben darf: den schwarzen Muselmanen, die mich voller Eindringlichkeit fortschleppen fürfen um mich ihren Wünschen zu übergeben.

Einander bekämpfend nur verstehen wir uns zu trösten, nur so können wir auf ein Wiedersehen warten.

22.

Das verdorrte Herz tut sich nicht auf unter dem faulenden Laub, der elenden Müdigkeit der Tagewerke, unter den trüben Gewässern aus Stein. Die kröpfenden Schmerzen teilen keine Tätigkeiten zu, dem Träumer, Sänger und Artisten, der Aug um Aug Herrn Gogol lebendig werden lässt, im blitzenden Hauch der leeren Hand.

23.

Seht doch wie ich Klytemnestra gleiche: bringt Fackeln, Lichter, mehr Lichter, damit ich euch die Orakel lesen kann. Schnallt mir auch die Kothurne an, um euch den Verformungen eurer Köpfe nach zum Leben zu raten, bevor ihr wieder in eure spiegellosen Welten eintauchen müsst, aus denen euch kein Bild mehr entgegenleuchten kann. Dennoch vermag ich nicht euch die schlfenden Götter aus ihren Steinen zu brennen, geht selbst euren Irrweg. Euch denen Wortlosigkeit nichts anhaben  kann, keine Bewegung, nicht die Musik, sucht euren Baum um mit den Füssen daran zu hängen, in der Stille der Bilder, der Zahlen, gebt ihnen dennoch nicht nach, sie sind nichts, erinnert euch nur an die Lautlosigkeit.

24.

……….wenn das wasser brennt und die farben des himmels in der glut

             der nachtblauen landschaft zu leuchten beginnen

……….wenn das wasser brennt und das stromland keine ungeheuer

             mehr gebiert, die menschen ihre tage nicht mehr zählen

……….wenn das wasser brennt und die tore meiner seele durch die

             hereinstürzenden fluten eingeäschert werden

……… wenn das wasser brennt und du nicht mehr verbannt in

             deinen wäldern träumst, in deinen seen schwebst

……….dann schenk ich dir alle meine worte und bilder,

             um meine haltlosen wünsche zu bändigen.