Blaues-Telefon-Wien am Kahlenberger Friedhof

       Was ich schon lange sagen wollte   ...…   aber nie getan habe…

Jeden Tag sterben Menschen plötzlich: Durch Unfälle, auf Intensivstationen, durch Herzattacken, durch Selbstmord - ohne von ihnen Abschied nehmen zu können.

In dieser Telefonzelle sprechen Sie in das Telefon, was immer Sie den so plötzlich aus Ihrem Leben gerissenen Menschen noch sagen möchten.

Sprechen Sie Alles aus! Sagen Sie Danke! Danken Sie fűr das, was war, und fűr das was ist:

„Ich bin jetzt für Dich/Euch …da!”  (Nennen Sie den/die Namen!)

Du wirst immer in meinem Herzen bleiben! ……Ich liebe Dich! ………….

 

Ich liebe Dich jetzt! ……………Ich danke Dir!“ 

 

  „Blaues -Telefon-Wien“

Was ich schon lange sagen wollte ...

                                          …. aber nie getan habe ….

In der Pandemie dieser Tage sterben Menschen auf Intensivstationen, sie sterben plötzlich durch Unfälle, durch Herzattacken oder durch Selbstmord. Menschen sterben, ohne dass von ihnen Abschied genommen werden konnte. Der Tod ist ein Ernstfall, ein Ernstfall in jedem Menschenleben. Der Tod ist der Ernstfall in allen Religionen und Gesellschaften, und die Basis jeder ernstzunehmenden Philosophie und Psychologie. Todesfälle gibt es zu allen Zeiten, und ebenso das Leiden der Angehörigen danach.

In Japan, zehn Jahre nach dem Tsunami, durch den etwa 20000 Menschen einen plötzlichen Tod fanden, installierte Itaro Susuki in seinem Garten eine alte Telefonzelle ohne Anschluss. Er nennt es, das „Telefon des Windes”. Menschen aus der Gegend, die beim Tsunami eine oder mehrere Angehörige verloren hatten, kommen zu dieser Telefonzelle und sprechen in das Telefon, was immer sie den so plötzlich aus ihrem Leben gerissenen Menschen noch sagen möchten. Hier kann man auch ungehemmt weinen. Es liegt auch ein Heft auf, in das die Hinterbliebenen etwas schriftlich festhalten wollen. Ich benenne diesen Ritus der Versőhnung mit Verstorbenen „Blaues Telefon/Trost”. Blau ist eine geistige Farbe.

Der Tod eines Menschen verändert das Leben von Angehörigen auf radikalste Weise. Stirbt ein Mensch plőtzlich, oder beendet selbst sein Leben, verbleiben die Angehőrigen oft in einer Starre, in tiefem Schmerz. Es fehlen die Worte für einen versöhnlichen Abschied. Es bleibt Ungesagtes, es bleiben ungeweinte Tránen. Fehlt die Gelegenheit, von einem Menschen Abschied zu nehmen, so kommt die Mőglichkeit, Worte des Dankes, der Versőhnung, des Abschieds, auszusprechen, um so grőssere Bedeutung zu.

ETWAS AUSSPRECHEN, endlich etwas aussprechen kőnnen, das seit dem Tod eines mir nahestehenden, geliebten Menschen unausgesprochen in mir schlummert, rumort, und sich immer wieder, oft auch bedrűckend in mein Bewusstsein drángt, das ist der Sinn des „Blaues Trost-Telefon”.

Hier hőrt der Sprecher die eigene Stimme – ein sehr wichtiger Aspekt, denn : “Die Stimme des Menschen führt immer zu sich selbst, und gleichzeitig, über sich selbst hinaus” (Arnold Mettnitzer, Psychotherapeut und Theologe). Hineinhören in die eigene Stimme, heißt, hineinhören in die eigene, innerste Existenz, um aus der Quelle des Ich zu dem DU sprechen, dem Du, welchem ich etwas sagen möchte, sagen muss. Je bewusster ich ausspreche, und laut sage, was mich drángt und bedrűckt, umso heilender kann dieses Gesprách sein. Sucht dieses Du die Versőhnung in mir selbst, genűgt oft ein bewusst gesprochenes DANKE, fűr das was war, und fűr das was ist. Es lőst einen Konflikt, eine Spannung, durch die ich dem DU, oder eben dem anderen Menschen, der Seele des Verstorbenen, begegnen kann. Der trauernde Mensch wird durch das Du zum Bewussten, versőhnten Ich. Das bewusste Ansprechen des Verstorbenen verstárkt die Selbstheilungskráfte.

Dem Verstorbenen, den von mir geliebten Menschen, zu sagen: ”Ich habe Dich immer geliebt!” gilt nicht. Diese Worte werden wieder vergehen. Dieser Satz  befreit nicht. Der Satz muß  lauten: “Ich liebe Dich! Jetzt! “

Náhe und Abschied man kann wieder nach vorne blicken, wieder ganz zum Leben kommen. In Japan heisst es „Ich kann meinen Schmerz dem Wind anvertrauen.” Das Tabu das jeden Tod in unserem Bewußtsein begleitet, kann auf diese Art und Weise gebrochen werden.

Martin Buber schrieb : “Der Mensch wird am Du zum Ich”.  .

Praktische Tipps zur Installation eines „Blauen Telefons“:

Ein Faltblatt mit einer kurzen Information über den Sinn und Zweck des “Blauen Telefons” sollte bei geeigneter Gelegenheit verteilt/aufgelegt werden. Als Requisiten sind notwendig; Ein (alter) Telefon Apparat/Mobiltelefon ohne Anschluss. Ein Tisch, ein Sessel - eine Schreibgelegenheit mit Papier/Heft, Stiften. Das “Blaue Telefon” muss völlig ungestört und geschützt benützt werden können: In einem eigenen Raum, oder provisorisch zu diesem Zweck eingerichteten Raum, oder einer im Freien aufgestellten Telefonzelle.

Gottfried Löcker, Wien, Oktober 2021

Information erhältlich auch in folgenden Sprachen:

Englisch, Französisch, Italienisch, Kroatisch, Polnisch, Rumänisch, Spanisch, Türkisch, Ungarisch, Ukrainisch, Russisch, Japanisch